Ostern in Griechenland – noch ein Grund mehr im Frühjahr nach Griechenland zu reisen!
„Χριστός ανέστη – Christos anesti!“ Mit dem Ostergruss „Christus ist auferstanden“ tritt in ganz Griechenland jeder Pope um Mitternacht vor seine Kirche und verkündet die frohe Botschaft. Das Osterfest beginnt! Die Glocken läuten Sturm. Knallkörper und Böllerschüsse hallen durch die Straßen und über die Dächer. Und gleichzeitig wird das Osterlicht aus der Sakristei zu den Gläubigen getragen und an die Anwesenden verteilt. Jeder gibt das Licht dem nächsten weiter und in Windeseile ist der ganze Platz vor der Kirche vom Kerzenschein erhellt. Das gleiche Licht, das wenige Stunden zuvor vom Patriarchen von Jerusalem auf mirakulöse Art und Weise in der Grabeskirche entzündet wurde, wenig später mit dem Flugzeug nach Athen kam und hier mit staatlichen Ehren, inklusive rotem Teppich, empfangen wurden; das gleiche Licht das anschließend mit knapp 20 Charter- und weiteren Helikopter-Flügen sowie mit Booten der Küstenwache in jeden Winkel, jede Insel und jedes Bergdorf im Land verteilt wurde. Das gleiche Licht, entzündet nun auch die reich dekorierten Osterkerzen („λαμπάδας – Lampadas“) der Kinder und wird danach vorsichtig nach Hause getragen. Das Osterfest hat begonnen!
Im Garten meiner Familie
Obwohl meine griechische Familie, in die ich mich vor knapp 15 Jahren hineingeheiratet habe, nicht viel mit der Kirche am Hut hat, zelebriert sie den Osterbrauch genauso wie alle in Griechenland. Mit der „Magiritsa“, der Traditionsspeise aus Gemüse und Lamminnereien wird noch in der Nacht die vierzigtägige Fastenzeit („Sarakosti“) gebrochen – dass meine Familie nicht gefastet hat, tut der Sache keinen Abbruch… Als Vorspeise werden rot gefärbte Eier herumgereicht und reihum gegeneinandergestossen. Wessen Eischale zerbricht, verliert. Wer am Ende dieses „kleinen Wettbewerbs“ übrigbleibt, den erwartet besonderes Glück im kommenden Kalenderjahr. Am nächsten Morgen wird schon in aller Herrgottsfrühe im Garten Feuer gemacht, über dem sich wenig später das Osterlamm langsam dreht. Mit einem in Öl getunkten Rosmarinzweig wird das Fleisch immer wieder eingestrichen. Oft wird das Lamm noch von Hand gedreht. Mein Schwiegervater hat sich dafür ein Motörchen gekauft – so hat man die Hände frei, um Tsipouro, den griechischen Traubentrester zu trinken und von den Vorspeisen, den Mezzes zu kosten. Entsprechend ist man gegen Mittag bereits leicht angeheitert und schon ziemlich satt – und dies bevor das Osterlamm auf den Tisch kommt! Aber zum Glück feiert man Ostern in Griechenland nicht im kleinen Kreis. Nein! Gegen Mittag sitzen bereits mehr als 20 Personen in unserem Garten im Schatten der Bäume oder hantieren in der Küche herum – Familie, Nachbarn, Freunde. Um diese Zeit steht in ganz Griechenland das öffentliche Leben still. Kein Bus oder Taxi ist unterwegs, kein Café oder Museum geöffnet. Sogar die Kioske, die jeden Tag und rund um die Uhr geöffnet haben, sind dicht – die Inhaber*innen sitzen irgendwo in einem Garten mit Familie oder Freunden beim Osterlamm.
Vorboten des Osterfests – Der Rosenmontag
Dem eigentlichen Osterfest geht, wie oben schon erwähnt, eine vierzigtägige Fastenzeit voraus. Diese soll an den vierzigtägigen Aufenthalt Jesu in der Wüste erinnern und beginnt mit dem „Sauberen Montag – Kathara Deftera (Καθαρά Δευτέρα)“ – unserem Rosenmontag. Auch an diesem Tag kommen die Menschen zum Essen zusammen. Nur wird dabei kein Fleisch oder Fisch verzehrt, sondern ausschließlich pflanzliche Produkte und Meeresfrüchte. Dazu gibt es Sauerteigbrot und zur Nachspeise „Halvas“ – die Süßspeise, welche im gesamten östlichen Mittelmeerraum beliebt ist: Hartweizengriess mit Honig und Nüssen. Das besonders schöne am griechischen Rosenmontag: Es werden im ganzen Land Drachen steigen gelassen – bei uns in Kalamata abends auch selbstgebaute Heißluftballons.
Die „Grosse Woche“ – Trauer und Freude
Die Fastenzeit mündet in der sogenannten „Grosse Woche – Megali Evdomada» (Μεγάλη Εβδομάδα), in der das Fasten noch intensiviert wird und in der die eigentlichen Vorbereitungen für Ostern ablaufen. Die Kinder haben nun für zwei Wochen schulfrei. Am Donnerstag wird das Haus auf das grosse Fest vorbereitet. Man tüncht die Mauern und Türpfosten und vielerorts wird auch „Kalo Pascha (Καλό Πάσχα) – Frohe Ostern“ mit weißer Farbe auf die Strasse geschrieben. Der Karfreitag ist der heiligste Tag der Karwoche und gilt als Tag der Trauer. Die Totenglocken ertönen den ganzen Morgen, Frauen und Kinder gehen mit Blumen in die Kirche, um den Epitaph, den Sarg Christi, zu schmücken. Abends wird dieser in einer großen Prozession im Kerzenschein durch die abgedunkelten Strassen des jeweiligen Ortes getragen. Viele Menschen haben Tränen in den Augen, gedenken ihren Verstorbenen oder allgemein dem Leiden auf dieser Welt. Für mich immer ein sehr bewegendes Ereignis. Nur wer trauern kann, kann auch richtig feiern. Und so bereitet sich ein ganzes Land auf das Osterfest vor.
Die jährliche Wiedergeburt
Das Christkind muss sich also in Hellas ganz klar hintenanstellen. Das Osterfest ist hier nicht nur der höchste kirchliche Feiertag, sondern ist auch in der Gesellschaft tief verwurzelt. Das hat sicher unter anderem damit zu tun, dass über 90% der Bewohner Griechenlands orthodox und Kirche und Staat in diesem Land noch nicht getrennt sind. Die Kirche ist seit dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Osmanen 1821 ein fester Bestandteil der griechisch-nationalen Identität. Da dieser Aufstand im Frühling begann und diesem am 28. März gedacht wurde, fällt die nationale Wiedergeburt quasi mit der christlichen Wiedergeburt zusammen.
Wann sind eigentlich die orthodoxen Ostern?
Schon der Termin des griechischen Osterfestes ist eine Besonderheit und unterscheidet sich von dem der Ostern der Westkirche. Zwar wird auch hier Ostern auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gelegt. Die griechisch-orthodoxe Kirche orientiert sich dabei jedoch nicht am allgemein verbreiteten Gregorianischen Kalendersystem, sondern hält bei diesen Berechnungen u.a. am älteren Julianischen Kalender fest, der eine Differenz von 13 Tagen aufweist. So kommt es, dass Ostern der West- und Ostkirche nur ab und zu zusammenfallen. Dieses Jahr 2025 ist es mal wieder der Fall. Doch egal ob nun Ostern in Zentraleuropa mit jenen in Griechenland zusammenfallen oder nicht, Griechenland im Frühjahr ist wegen der Blumenpracht stets eine Reise wert. Die Möglichkeit an den lokalen Oster-Feierlichkeiten beizuwohnen ist einfach noch ein Grund mehr.
Geschrieben von Michael Widmer




