Wie eine Schneeschuhtour entsteht

Seit über 20 Jahren plane ich Schneeschuhtouren für Baumeler Reisen und leite sie dann oft über Jahre. Ich freue mich immer wieder, eine neue Tour zu kreieren. Da ich schon lange im Kanton Graubünden lebe, privat und für Baumeler, früher auch für SAC und I+S unterwegs bin, liegt es nahe, dass ich vor allem hier Schneeschuhtouren zusammenstelle und leite.

Heute gibt es viele Möglichkeiten, Tourenvorschläge anzuschauen, wie digitale Kartenapps oder Vorschläge von lokalen Tourismusorganisationen. Am liebsten ist mir beim Planen nach wie vor die Landeskarte in Papierform, unterstützt von der White Risk App, wo es Informationen zu Tourenvorschlägen, Hangneigungen und Lawinensituationen gibt. Gerne plane ich Touren möglichst abseits von Skigebieten und bekannten Skitourenrouten, immer in Einklang mit Wildschutzgebieten, keine dichten Waldgebiete zu betreten und in mässig steilem Gelände, das ideal für unsere Schneeschuhtouren ist.

Je nach Anforderungsstufe, die für die jeweilige Tour gesetzt ist, muss ich unterschiedliche Touren planen. Ich finde es auch gut, dass die Touren von Tag zu Tag unterschiedlichen Charakter haben. Am Beispiel der Schneeschuhreise Zernez möchte ich das erläutern.

Für den ersten Tag genügt es, in der näheren Umgebung des Hotels etwas zu unternehmen. Da erzähle ich etwas über den Ort Zernez, den Nationalpark und schaue schon mal nach Wild und Wildspuren. Da kann es schon mal einen ersten Höhepunkt beim Vorbeifliegen eines Bartgeiers geben. Wichtig ist auch, dass sich die Gruppe kennenlernen kann und ich sehe, wie die Leute auf den Schneeschuhen unterwegs sind und gebe auch Tipps für den Umgang damit; wobei wir ja immer mehr Teilnehmer haben, die schon viel Routine aufweisen.

Einen Höhepunkt dieser Reise habe ich mit der Tour bei Buffalora am Ofenpass eingebaut. Die Gegend hier erinnert sich stark an nordische Landschaften. Bei einem selbst mitgebrachten Picknick an einer ehemaligen Zollwarthütte nahe zu Italien kann ich etwas über den früheren Schmuggel erzählen.

Bei einer Tour im Val Müstair immer mit Blick auf den Ortler gibt es bei Munt da la Bescha oft viele Gämsen und Steinböcke zu beobachten. Unterwegs bei Pausen kann ich immer wieder mal Anschauliches über Lawinenkunde und -prophylaxe erklären. Was unsere Teilnehmer immer wieder schätzen, ist z. B. der Besuch einer kleinen Berghütte, das Mitbringen von lokalen Spezialitäten oder einer kleinen Überraschung.

Am Rande des Nationalparks, der im Winter nicht begangen werden kann, gibt es wenig bekannte Schneeschuhtouren, wie die Alp Ivraina. Da ist man meist alleine unterwegs. Es wird sehr geschätzt, dass der Tourenleiter noch einsame Gebiete kennt. Einen offiziell ausgeschilderten Schneeschuhtrail kann jeder selber machen, aber abseits ist man froh, mit jemandem unterwegs zu sein, der die Gegend und die aktuelle Lawinen- und Schneesituation kennt.

Bei dieser Reise, die ich schon lange leite, habe ich bewusst kein fixes Programm. Hier kenne ich so viele Touren, dass ich sie gerne je nach Wetter, Schnee und Lawinensituation kurzfristig plane. Bei genügendem Schnee kann man direkt von Zernez starten und sonst ist man schnell am Ofenpass, im Oberengadin z.B. bei S-chanf oder im Unterengadin bei Guarda. Als Leiter ist es wichtig, bei jeder Reise auch Alternativen zu haben und nicht stur ein Programm durchzuziehen. Was auch sehr geschätzt wird, dass man mal einen Hang bei stiebendem Pulverschnee herunterlaufen kann. Selbst wenn es mal länger nicht geschneit hat, kann man solche Hänge, nordseitig gelegen, noch finden. Da ich fast 20 Jahre in Zernez gelebt habe, kenne ich die ganze Gegend und habe Kontakt zu den Einheimischen, was auch der Gruppe zugutekommt.

Bei der Planung einer neuen Schneeschuhreise ist zuerst Büroarbeit angesagt. Höhenmeter, Dauer der einzelnen Touren, Anforderungen und Begleittext aufschreiben, Hotels suchen, Bergbeizen oder etwas Spezielles einbeziehen, wie in Sils im Engadin eine eindrückliche Kutschenfahrt zum Start einer Tour im Val Fex oder bei der Müstair Reise den Besuch des UNESCO-Weltkulturerbe Kloster.

Danach kommt das Interessante, ich gehe die Tour rekognoszieren, das ist bei Schneeschuhtouren noch viel wichtiger als bei einer Sommertour. Es kann gut sein, dass das Endresultat dann leicht anders aussieht. Eine Tour ist vielleicht zu streng, es hat heikle Passagen oder für die geplante Tour sind keine idealen Schneeverhältnisse vorhanden. Dann muss man flexibel sein und Alternativen planen. Zum Beispiel wurde bei der neuen Reise San Bernardino letzten Winter kurzfristig das lange geschlossene Skigebiet wieder eröffnet. So war die Tour in diesem Gebiet nicht mehr interessant, und ich habe am Vortag der Reise für diesen Tag eine Alternative rekognosziert.

Auch das aussuchen und anschauen der Hotels gehört dazu. Bei Bergün hatte ich das Hotel Kurhaus geplant. Für die ersten Reisen war es nicht möglich. Aber jetzt sind wir im renovierten, grosszügigen Jugendstil Hotel, das mit einer Wellnessanlage ergänzt wurde, toll aufgehoben. Wichtig bei unseren Baumeler Schneeschuhreisen ist auch die Kulinarik, wo wir uns nach den anstrengenden Touren gerne verwöhnen lassen, wie z.B. in Bellwald mit einer exquisiten Gourmet Küche oder einem echten gestrichenen Walliser Raclette.

Was für mich auch schön ist bei einer neuen Reise: Unsere Stammkunden warten auf neue Schneeschuhziele und so kenne ich bei einer neuen Tour oft schon einen Teil der Gruppe und man hat schon von Anfang viel zu erzählen. Aber jederzeit sind auch neue Teilnehmer herzlich willkommen. Vielleicht sehen wir uns bald auf einer meiner Schneeschuhreisen.

Geschrieben von Ralph Bühler